Wie ein Zauberladen neue Erkenntnisse bringt - Ein Psychodrama-Tool für das Einzelcoaching

Mit kreativen Objekten die inneren Konflikte Ihrer Klient:innen erkennen und bearbeiten

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Zauberladen. Ein Laden voller Schätze, die nur darauf warten, dass Sie sie entdecken. Was würden Sie dort sehen? Was würden Sie sich nehmen? Was würden Sie damit anfangen? Und was würde das über Sie und Ihre Situation aussagen?

Diesen Fragen folgt eine Methode aus dem Psychodrama, die sich sehr gut für das Einzelcoaching eignet: der Zauberladen. Der Zauberladen ist eine Technik, die von Jacob Levi Moreno, dem Gründer des Psychodramas, erfunden wurde. Er beschreibt ihn als einen "Ort, an dem der Protagonist alles finden kann, was er braucht, um seine Probleme zu lösen". Der Zauberladen ist also eine Metapher für die innere Welt der Klient:innen, die mit konkreten Objekten untersucht und verändert werden kann.

In diesem Beitrag zeige ich Ihnen anhand eines Beispiels, wie Sie die Methode des Zauberladens in Ihrem Coaching nutzen können. Ich gehe davon aus, dass Sie schon Grundkenntnisse im Psychodrama haben und die ethischen Richtlinien des Coachings einhalten.

Das Beispiel: Julia und ihr innerer Konflikt

Julia ist 35 Jahre alt und arbeitet als Projektmanagerin in einem IT-Unternehmen. Sie kommt zu mir, weil sie einen inneren Konflikt hat: Einerseits ist sie unzufrieden mit ihrem Job und fühlt sich unterfordert und ausgenutzt. Andererseits hat sie Angst, ihren Job aufzugeben und etwas Neues zu versuchen. Sie weiß nicht, was sie wirklich will und wie sie es schaffen kann. Sie fühlt sich festgefahren und unglücklich.

Nach ein paar Sitzungen mit verschiedenen Methoden, um ihre Ressourcen zu aktivieren und ihre Ziele zu definieren, schlage ich ihr vor, die Methode des Zauberladens auszuprobieren. Ich erkläre ihr, dass es eine kreative Technik ist, die ihr helfen kann, ihren inneren Konflikt sichtbar zu machen und zu lösen. Ich frage sie, ob sie dazu bereit ist. Sie sagt ja.

Die Vorbereitung: Der Coach als Zauberladenbesitzer

Um die Methode des Zauberladens vorzubereiten, brauche ich als Coach einige konkrete Objekte, die ich für die Klientin zur Verfügung stelle. Diese Objekte können sehr verschieden sein, je nachdem, was ich habe und was ich für passend halte. Wichtig ist, dass die Objekte symbolisch sein können und dass sie abwechslungsreich und anregend sind. Ich kann zum Beispiel Figuren, Puppen, Tücher, Fotos, Steine, Schmuck, Spielzeug, Kerzen, Blumen, Karten, Bücher oder andere Gegenstände benutzen. Ich kann auch Objekte auswählen, die einen Bezug zu dem Thema oder dem Anliegen der Klientin haben, wie zum Beispiel etwas, das mit ihrer Arbeit, ihrer Familie, ihren Hobbys oder ihren Werten zu tun hat.

Ich lege die Objekte auf einen Tisch oder auf den Boden, so dass sie gut sichtbar und erreichbar sind. Ich achte darauf, dass die Objekte nicht zu viele oder zu wenige sind, dass sie nicht zu ähnlich oder zu unterschiedlich sind, dass sie nicht zu groß oder zu klein sind, dass sie nicht zu auffällig oder zu unauffällig sind. Ich versuche, ein Gleichgewicht zu

finden, das die Neugier und die Fantasie der Klientin fördert, ohne sie zu überfordern oder zu langweilen. Ich bin der Zauberladenbesitzer, der der Klientin eine Auswahl an Schätzen bietet, die sie nach ihrem Belieben nutzen kann.

Die Durchführung: Die Klientin als Zauberladenbesucherin

Nachdem ich die Objekte vorbereitet habe, lade ich die Klientin ein, den Zauberladen zu betreten. Ich sage ihr, dass sie sich vorstellen soll, dass sie einen Zauberladen besucht, in dem sie alles finden kann, was sie braucht, um ihr Problem zu lösen. Ich ermutige sie, sich die Objekte anzuschauen und sich von ihrer Intuition leiten zu lassen. Ich lade sie ein, sich so viel Zeit zu nehmen und sich so viele Objekte auszusuchen, wie sie möchte. Ich sage ihr, dass sie die Objekte nach ihrem Belieben anordnen, bewegen, verändern oder weglegen kann. Dabei gäbe, es kein Richtig oder Falsch, sondern nur ihre persönlichen Assoziationen und Bedeutungen seien von Belang. Ich sage ihr, dass ich sie dabei begleiten werde, ihre Erfahrungen zu reflektieren und zu verstehen.

Julia fängt an, sich die Objekte anzuschauen. Sie geht langsam um den Tisch herum und betrachtet die verschiedenen Gegenstände. Sie nimmt einige in die Hand, legt sie wieder zurück, nimmt andere, vergleicht sie, stellt sie nebeneinander oder übereinander. Sie lächelt, zögert, staunt, seufzt. Sie spricht nicht viel, sondern konzentriert sich auf ihre Wahrnehmung. Ich beobachte sie aufmerksam, ohne sie zu stören. Ich bin gespannt, was sie auswählen wird und was sie damit machen wird.

Nach einer Weile hat Julia eine Auswahl an Objekten getroffen. Sie hat eine Puppe, eine Figur, ein Tuch, ein Foto, einen Stein, eine Kerze und eine Karte gewählt. Sie legt die Objekte auf den Boden und fängt an, sie zu arrangieren. Sie legt die Puppe in die Mitte, die Figur daneben, das Tuch darüber, das Foto dahinter, den Stein davor, die Kerze daneben und die Karte darüber. Sie schaut sich ihr Arrangement an und nickt zufrieden. Sie sagt mir, dass sie fertig ist. Ich frage sie, ob sie mir etwas über ihre Auswahl und ihr Arrangement erzählen möchte. Sie sagt ja.

Die Auswertung: Der Coach als Zauberladenbegleiter

Nun beginnt die Auswertung der Methode des Zauberladens. Meine Aufgabe als Coach ist es, die Klientin dabei zu unterstützen, ihre Erfahrungen zu reflektieren und die symbolische Bedeutung der Objekte und ihres Arrangements zu deuten. Es geht auch darum, die Verbindung zwischen ihrer inneren Welt und äußeren Situation herzustellen. Ich begleite sie dabei, die Erkenntnisse und Impulse, die sie aus der Methode gewonnen hat, in konkrete Handlungsschritte umzusetzen.

Um dies zu erreichen, stelle ich der Klientin verschiedene Fragen. Dabei orientiere ich mich an den folgenden Prinzipien: Ich frage offen und neugierig, ohne zu werten oder zu interpretieren. Ich frage nach dem, was die Klientin sieht, fühlt, denkt und tut, ohne zu suggerieren oder zu manipulieren. Ich frage nach dem, was die Klientin will, ohne zu raten oder zu lösen. Ich frage nach dem, was die Klientin kann, ohne zu fordern oder zu begrenzen. Ich frage nach dem, was die Klientin braucht, ohne zu versprechen oder zu enttäuschen. Ich frage nach dem, was die Klientin tut, ohne zu loben oder zu kritisieren.

Hier sind einige Beispiele für Fragen, die ich Julia stelle:

· „Was hat dich an diesen Objekten angezogen?“

· „Was bedeuten diese Objekte für dich?“

· „Was fühlst du, wenn du diese Objekte anschaust?“

· „Was denkst du, wenn du diese Objekte anschaust?“

· „Was hast du mit diesen Objekten gemacht?“

· „Was bedeutet das, was du mit diesen Objekten gemacht hast?“

· „Was willst du mit diesen Objekten machen?“

· „Was bedeutet das, was du mit diesen Objekten machen willst?“

· „Was kannst du mit diesen Objekten machen?“

· „Was brauchst du, um das zu tun, was du mit diesen Objekten machen kannst?“

· „Was tust du, um das zu bekommen, was du brauchst, um das zu tun, was du mit diesen Objekten machen kannst?“

Diese Fragen regen einen Dialog an, in welchem die Klientin ihre Erfahrungen reflektiert und versteht. Die Klientin entdeckt, welche symbolische Bedeutung die Objekte und ihr Arrangement für sie haben und ihre innere Welt widerspiegeln. Sie erkennt die Verbindung zwischen ihrer inneren Welt und ihrer äußeren Situation, die ihren Konflikt auslöst. Die Klientin entwickelt durch ihre die Erkenntnisse und Impulse konkrete Handlungsschritte, die ihren Konflikt lösen können.

Das Ergebnis: Die Klientin als Zauberladenverlasserin

Nachdem wir die Auswertung der Methode des Zauberladens abgeschlossen haben, frage ich die Klientin, wie es ihr geht und was sie aus der Methode mitnimmt. Ich frage sie auch, ob sie etwas zurücklassen oder etwas mitnehmen möchte. Ich gebe ihr die Möglichkeit, sich von den Objekten zu verabschieden oder sie zu behalten. Ich gebe ihr auch die Möglichkeit, mir ein Feedback zu geben oder mir Fragen zu stellen. Ich bedanke mich bei ihr für ihre Bereitschaft und ihre Offenheit. Ich verabschiede mich von ihr und lade sie ein, den Zauberladen zu verlassen. Julia sagt mir, dass es ihr gut geht und dass sie viel aus der Methode gelernt hat. Sie habe erkannt, wie unglücklich sie in ihrem Job ist und dass sie etwas ändern muss. Sie wolle sich nach einer neuen Herausforderung umsehen. Sie sagt mir, dass sie sich dafür bereit und mutig fühlt. Sie möchte ein Foto ihres Arrangements machen, um es als Erinnerung und als Unterstützung zu nutzen. Sie bedankt sich bei mir für die Sitzung. Sie verabschiedet sich von mir und verlässt den Zauberladen.

Das Fazit: Der Coach als Zauberladennachbereiter

Nachdem die Klientin den Zauberladen verlassen hat, bereite ich die Methode nach. Ich reflektiere über den Prozess und das Ergebnis.

Ich frage mich, …

· was gut gelaufen ist und was ich verbessern könnte,

· was ich gelernt habe und was ich weitergeben könnte,

· was mich überrascht und was mich herausgefordert hat,

· was mich berührt und was mich bewegt hat,

· was mich gefreut und was mich geärgert hat,

· was mich bestätigt hat und was mich verunsichert hat,

· was mich inspiriert hat und was mich motiviert hat,

· was ich brauche, um die Methode weiterzuentwickeln und zu vertiefen.

Ich komme zu dem Fazit, dass die Methode des Zauberladens eine sehr kreative und wirkungsvolle Technik ist, die ich gerne in mein Coaching einsetze. Ich finde, dass die Methode es den Klient:innen ermöglicht, ihre innere Welt mit konkreten Objekten zu untersuchen und zu verändern. Die Methode kann den Klient:innen helfen, ihre inneren Konflikte sichtbar zu machen und zu lösen, indem sie Erkenntnisse und Impulse für sich gewinnen, die sie in konkrete Handlungsschritte umsetzen können. Die Methode des Zauberladens ist ein echter Schatz, den ich gerne mit Ihnen teile.

 

Ein Text von Alfredo Brizzolara

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Alfredo Brizzolara begleitet seit vielen Jahren als Organisationsentwickler und Führungskräfte-Coach Menschen und Teams in Unternehmen und Organisationen. Außerdem ist er unter anderem anerkannter Psychodrama-Leiter des Moreno-Instituts in Edenkoben/Überlingen. Sein Werkhaus-Kurs „Szenisches Spiel im Coaching“ gibt fundierte Einblicke in die Coaching-Methode Psychodrama. 

Wir freuen uns darauf, Sie bei uns begrüßen zu dürfen.
Ihr Alanus Werkhaus-Team

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