»Der wichtigste Mensch ist immer der, der vor dir steht.« (Meister Eckhart) - Im Gespräch mit Wulpekula Schneider

Wulpekula Schneider ist Bildende Künstlerin und Kunsttherapeutin und hat uns viele Jahre als Dozentin begleitet. Wir haben mit ihr über ihre Zeit am Werkhaus und ihre Arbeit mit Menschen gesprochen.

 

Erinnerst du dich noch an den ersten Tag im Alanus Werkhaus? Wie hast du ihn erlebt?

Es muss 2000 gewesen sein. Das Werkhaus stand im Rohbau. Es gab dort ein ganz großes Symposium, »Language of Colors«, initiiert, ich glaube, von Andreas Reichel, der damals Dozent war. Er hat ganz viele Dozierende von verschiedenen Hochschulen aus dem Sudan, aus Palästina, aus Kenia und anderen afrikanischen Staaten eingeladen. Studierende und Ehemalige von Alanus haben dann in diesem Rohbau ein Symposium gemacht, was eben »Language of Colors« hieß. Man arbeitete vor Ort und hat direkt in diesem Rohbau Ausstellungen gemacht.

In den Studio-Räumen, die jetzt alle so hübsch und schick sind, war einfach nur Beton und die Wände. Und da fand Kunst und vor allem viel Austausch statt. Mich hat das sehr berührt, diese Erinnerung hochkommen zu lassen. Weil ich dachte »Krass, schon in den Rohbauten fand so viel Begegnung statt.« Und als ich das jetzt mit Palästina hörte, dachte ich, wie nah an der Zeit, dieses Vernetzen, dieses Zusammenbringen von Kulturen, von Menschen und Austausch in diesem Rohbau bereits war. Das ist … Das ist so wie Einräuchern mit Kunst. Das fand ich sehr besonders.


Du bist Künstlerin und nun auch Kunsttherapeutin. Was hat sich für dich durch die neue Arbeit verändert?

Von meinem Kern her gar nichts, weil es mir immer um Begegnung geht, egal, ob ich den Therapeuten-, den Pädagogen- oder den Kunstvermittlerhut aufhabe. Tatsächlich habe ich aber durch das neue Studium bemerkt, dass ich so an meinen Kernen weitergefeilt habe. Und da merke ich eben, die Quintessenz ist für mich die Begegnung.

Es gibt so einen schönen Satz von Meister Eckhart: »Es ist immer der der wichtigste Mensch, der vor dir steht.« Also wenn man so sagt: Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben und es ist eben der, der gerade jetzt vor dir steht, dann hat das eine große Konsequenz. Und wenn ich die Begegnung noch mit künstlerischen Materialien und Techniken verbinden kann, wird es richtig spannend.

Die Menschen in therapeutischen Begegnungen, wenn sie sich dann einlassen, merken das auch. Sie müssen kein Picasso sein, sie müssen nichts lernen. Ich bin auch keine Mallehrerin, sondern wir nutzen Material und Auseinandersetzung mit bildnerischen Themen, um mit uns in Kontakt zu kommen oder miteinander zu sprechen.


 »Mit Kunst neue Perspektiven eröffnen«, das ist unser Selbstverständnis. Was heißt dieser Satz für dich?

Ich hatte ein schönes Erlebnis auf der Museumsinsel Hombroich. Dort gab es begehbare Skulpturen. Wenn man in diese Räume reingeht, sind die einfach leer. Bestenfalls gibt es ein schönes Fenster, wo du rausschauen kannst. Ich war mit einem Freund dort, wir haben uns darin bewegt und haben gemerkt, dass diese Räume eine unglaubliche Akustik haben. Die Akustik verändert sich je nachdem, wo ich stehe. Damit spielten wir.

Dann kam eine Gruppe Frauen rein. Wir blieben still und die sind einfach ans Fenster und guckten raus. Aha, ist nichts drin und sind wieder raus.

Da dachte ich. »Was für ein Bild!« Es ist nämlich immer alles da. Aber es liegt an uns, die Sinne zu schärfen. Und mal ist es eben nicht das Auge, sondern wir müssen horchen oder vielleicht tasten oder fühlen. Wie bin ich im Raum? Es liegt an uns, bereit zu sein und auch mal mit anderen Sinnen den Dingen auf die Spur kommen.

Dann kriegen wir ganz viel zurück. Geh mal andere Wege, mach neue Perspektiven auf, probier mal das Ding auf den Kopf zu drehen, nimm eine andere Perspektive ein! Um vielleicht mehr zu sehen von dem scheinbar Bekannten. Und von daher würde ich  »Mit Kunst neue Perspektiven eröffnen« absolut unterschreiben. Weil Kunst uns einlädt, den eigenen Standpunkt mal zu verlassen und vielleicht ungewöhnlicher auf das einzugehen, was vor uns ist oder was wir scheinbar kennen.


Was sind die Schwerpunkte deiner künstlerischen Arbeit?

Ich bin ein Farbenmensch, ein Augenmensch. Im Moment mache ich aber eher Papierobjekte. An denen ich mich aber vor allem an der Farbe freue und an den Strukturen. Ich nutze das Papier als Material. Ich finde es immer sehr spannend, weil ich merke, dass es mir in meiner eigenen Kunst um viel Aufmerksamkeit geht, also auch meine Aufmerksamkeit. Wenn ich noch bei der Sache bin und sie mich nicht langweilt, dann merke ich, es ist gut. Und jetzt bin ich seit langer Zeit mit meinen Papieren beschäftigt und ich bin da immer noch nicht durch.

Das ist wie ein Drang, das tun zu müssen. Und es ist eine tiefe Befriedigung, etwas in Ordnung zu bringen. Vielleicht brauche ich diese Art Kunst, Papier zu falten und in Reih und Glied bringen, weil ich mein Leben streckenweise als sehr chaotisch empfinde, vielleicht durch meine inneren Prozesse. Ich reguliere mich dadurch selber. Für mich ist meine Kunst wirklich die Quelle, aus der ich schöpfen kann, zum Beispiel mit Menschen wieder in Begegnung zu gehen. Weil ich ganz viel Ruhe und Kraft daraus ziehen kann.


Wo ist dein Lieblingsplatz auf dem Johannishof?

Es gibt die großen Pappeln, an denen ich gerne bin, hinter dem Werkhaus, wo es dann in Richtung dieses Teiches geht. Da kann man nicht gut sitzen, aber ich bin gern in der Nähe dieser Bäume. Die machen so ein schönes Geräusch. Sie rascheln, die sind richtig laut. Ich höre den Wind. Wind ist ja eigentlich unsichtbar und wird nur sichtbar oder hörbar indem er auf irgendwas trifft.

Und ich liebe den Blick, wenn man vom Parkplatz runterkommt. Diesen weiten Blick, das ist großartig. Ich komme ja aus den Bergen und ich finde, wenn ich da oben stehe, das versöhnt immer Vieles. Überblick haben und weit schauen dürfen. Die Pappeln und das Weitschauen. Und die Cafeteria auch. Ich glaube, das sind meine Lieblingsplätze da oben.


Welchen Tipp möchtest du Menschen geben, um ihren eigenen künstlerischen Ausdruck zu erarbeiten und zu festigen?

Das fällt mir schwer zu sagen. Es hat für mich ganz viel mit Ehrlichkeit zu tun. Ehrlichkeit mit sich selbst. Ich kann mir so viele Dinge 'schön malen'. Dann bleibe ich aber oft nur an der Oberfläche. Wenn ich eine gewisse Tiefe in meiner Arbeit, aber auch mit mir selbst erreichen möchte, dann ist das gute, innere Hinschauen unumgänglich. Es ist so eine Floskel zu sagen: »Werde, der du bist.« Aber letztlich ist es das. Ehrlich sein, zu sich selbst. Letztlich, glaube ich, es gibt kein Patentrezept, aber den Weg zu sich zu finden und zu sich zu stehen, das wäre es für mich vielleicht. Mir hilft da die Begegnung und der Austausch mit anderen.

Liebe Wulpekula, danke dir für deine Zeit und das schöne Gespräch!
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Wulpekula Schneider ist Bildende Künstlerin. Sie hat viele Jahre den Kurs »Kunst to go« im Werkhaus geleitet und war Teil unserer Ausstellung »Alles außer Tiernahrung«. Sie arbeitet freischaffend als Künstlerin und Kunstvermittlerin im Kunstmuseum Bonn und ist als Kunsttherapeutin in einem Krankenhaus tätig.

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