Materialfragen in der Bildhauerei. Der Stoff, aus dem die Formen sind.
Es ist schön, Menschen dabei zuzusehen, wie sie etwas reparieren: eine alte Maschine, ein Werkzeug, ein Möbelstück … Auch im Internet sind zahlreiche Videos zu finden, in denen aus etwas Altem, Kaputtem wieder ein surrendes, funkelndes, funktionstüchtiges Gerät wird. Viele empfinden das als sehr befriedigend. Vielleicht, weil es uns zeigt, dass wir nicht machtlos sind – dass wir in der Lage sind, etwas im Sinne seiner Idee wieder zum Laufen zu bringen.
Vielleicht ist es in der Bildhauerei ähnlich: Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einer Skulptur. Auch hier fügen sich die Dinge, die Idee und das Material zu einem stimmigen Ganzen. Eventuell erzählt sie von Schwere oder Leichtigkeit, von Widerstand oder Bewegung, von Dichte oder Durchlässigkeit. Und auch eine Skulptur kann „funktionieren“ – aber auf eine andere, etwas schwerer greifbare Weise.
Genau hier beginnt die Faszination bildhauerischer Arbeit: im unmittelbaren Kontakt und persönlichen Austausch mit dem Material.
Material ist zunächst vor allem eines: ein Widerstand. Es ist da – stumpf, roh, unbearbeitet … Aber vielleicht auch schon jetzt zu Beginn, ein bisschen funkelnd, verheißungsvoll und begleitet von Vorfreude. An diesem Punkt gibt es – zugespitzt formuliert – zwei Wege: Wir setzen eine vorgefasste Idee um, arbeiten sie ins Material hinein, „nagen uns durch“ wie ein Biber. Oder wir lassen uns ein auf das, was das Material selbst anbietet.
Oft wissen wir anfangs noch gar nicht, wohin die Reise geht. In der Bildhauerei geht es nicht allein darum, eine Idee zu „verwirklichen“. Erst im Dialog mit dem Material entsteht der künstlerische Prozess. Ein bisschen wie in einem Tanz geht uns das Material entgegen, es entstehen Möglichkeiten, neue Wege tun sich auf – oder werden auch versperrt.
Gips, Draht, Textilien oder gar Stroh zu Gold spinnen: Jeder Werkstoff hat eine eigene, manchmal auch poetische Sprache. Wer sie hört, kann seine künstlerische Vorstellung erweitern und plötzlich mehr finden.
Jedes Arbeiten beginnt oft mit einer vagen Vorstellung. Doch diese Vorstellung verändert sich im künstlerischen Tun. Der Weg zur fertigen Skulptur ist selten gradlinig – manchmal führt er durch nebelige Sümpfe, über steile Klettersteige. Manchmal ist er aber auch überraschend leichtfüßig.
Und dann passiert es: ein Moment der Klarheit, ein „Lichtblick“. Eine Form schält sich heraus, stimmig und eigenständig. Solche Momente lassen sich nicht planen. Sie entstehen aus dem Prozess. Und sie haben auch nur dann, in der ganz bestimmten Konstellation zwischen uns, dem Material und der sich entwickelten Form, ihre Gültigkeit. Wie ein Schlüssel, der genau passt? Das sind dann die Momente, in denen etwas funktionieren kann.
Der künstlerische Schaffensprozess geht über das Reparieren hinaus. Je länger wir arbeiten, desto leiser wird die erste Idee im Kopf – und das Material und die Form beginnen in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. Auch unsere Beziehung zur Skulptur wandelt sich: Aus Machenden werden wir zu Hörenden, zu Begleitenden, die sich einlassen auf das, was entstehen will. Es ist ein gegenseitiger Transformationsprozess, der durch unsere Arbeit mit dem Material initiiert wird.
Am Ende steht kein Werk, das nur unserem Willen entspringt, sondern eine Form, die für sich selbst spricht – ein eigenständiges Gegenüber im Raum, das auch ohne uns bestehen kann.
Bildhauerisches Arbeiten ist kein einseitiger Akt – es ist ein Dialog. Mit dem Material, mit dem Raum, mit sich selbst. Manche Materialien fordern langsames, bedachtes Vorgehen. Andere laden zu schnellen, spontanen Entscheidungen ein. Denken Sie etwa an filigrane Drahtkonstruktionen oder weiche textile „Soft Sculptures“. Jedes Material bringt eine eigene Körperlichkeit mit.
Wer sich darauf einlässt, begegnet nicht nur neuen Formen, sondern erlebt auch ein auf seine Art lebendiges Gegenüber, das sich in der Arbeit zeigt, uns fordert oder sich auch wieder verbirgt. Bildhauerei erinnert uns daran, dass Kunst nicht allein im Denken entsteht – sondern im Tun und im Austausch mit dem Material.
Wenn Sie diesen Prozess selbst erleben möchten, bietet das Modul 2 unseres Jahreskurses „Ein Jahr für die Kunst – Plastik und Skulptur“ vielfältige Impulse. Im Mittelpunkt steht das Thema „Inspiration: Körper“. Sie skizzieren und modellieren nach Aktmodell, setzen sich mit Soft Sculpture auseinander, arbeiten mit Textilmaterialien und entwickeln eine Gips-Stroh-Skulptur. Dabei erleben Sie, wie sich künstlerische Ideen im Dialog mit dem Material wandeln – vielleicht ganz anders, als Sie es erwartet hätten.
Darüber hinaus laden in den nächsten Monaten viele weitere Kurse am Werkhaus dazu ein, sich intensiv mit verschiedenen Materialien und bildhauerischen Techniken auseinanderzusetzen:
Kieselsteinmosaike gestalten: Lernen Sie das direkte Setzverfahren mit Beton kennen und entdecken Sie die Vielfalt der Materialien und Ausdrucksmöglichkeiten im Mosaik. Künstlerische Beispiele und Impulse begleiten Sie bei der eigenen Umsetzung.
Holzbildhauerei: Erforschen Sie die Kunst des Schnitzens unter professioneller Anleitung. Sie entwickeln eine eigene Skulptur und erleben dabei nicht nur die handwerkliche, sondern auch die gefühlvolle Tiefe dieses lebendigen Materials.
Kunstobjekte aus Papier – von der Fläche in den Raum: Ob filigran oder raumgreifend – Papier und Karton eröffnen überraschende Wege in die Dreidimensionalität. Der Kurs richtet sich an Anfänger:innen ebenso wie an Fortgeschrittene.
Plastisches Arbeiten mit Gips: Machen Sie erste Schritte im Umgang mit Gips und sammeln Sie grundlegende Erfahrungen mit einem klassischen Material der Bildhauerei – vom Gießen bis zur freien Formfindung.