„Weil ich Armin Burghagen bin.“ – Im Gespräch mit dem Maler und Tänzer Armin Burghagen

„Wie kriege ich das, was mich so zutiefst berührt, was zutiefst mein Eigenes war, auf ein reproduzierbares Produkt?“

Der Tanz ist für Armin Burghagen auch in seiner Arbeit als Maler treibende Kraft. Wie er die Dynamik der Bewegung vor allem in der Linie zum Ausdruck bringt und was ihn mit seinem Lehrer und Freund Jo Bukowski verbunden hat, lesen Sie in diesem Interview. Armin Burghagen ist freischaffender Künstler und Dozent in unserem Kurs „Freie Malerei“.

 

Lieber Armin, allzu lange bist du noch nicht bei uns. Was reizt dich an deiner Arbeit im Werkhaus?

Ich habe eine Riesen-Sehnsucht, mich auszutauschen. Im Kurs bin ich zwar in der Rolle des Inputler, aber ich ziehe auch total viel für mich raus. Und zwar in dem, was ich sehe, was die Leute machen, wie sie denken. Das Niveau ist hoch, die Teilnehmenden sind toll. Das reizt mich sehr.

Ursprünglich bist du Tänzer und Choreograph. Wie fließt diese Arbeit, diese Stärke in dein künstlerisches Schaffen als Maler und Bildhauer ein?

Andersherum wurde das Ganze zum Thema – 11 Jahre Tanztheater, eine fünfjährige nebenberufliche Qualifikation als indikativer Tanzpädagoge plus Schwerpunkt Choreografie – dies hat irgendwann sein Ende genommen, weil ich körperlich nicht mehr so fit bin. Ich habe den Ersatz gebraucht. Wie kriege ich das, was mich so zutiefst berührt, was zutiefst mein Eigenes war, auf ein reproduzierbares Produkt? Mein wichtigster Antreiber war: wie schaffe ich diesen Spannungsbogen, den ich als Tänzer in der Minute erlebe, in Fülle, den mein Gegenüber sieht und der sofort wieder ins Leere vergeht, weil der nächste Augenblick wieder was Neues bringt. Ich versuche die Dynamik, die Stärke als körperlichen Ausdruck n irgendeiner Transformation auf die Leinwand zu bringen oder in die Zeichnung zu kriegen. Das ist das, was mich antreibt in der Arbeit und da verknüpft sich alles.

Bewegung, Tanz, Tanz der Linien ist ein wichtiges Motiv und ein wiederkehrender Ausdruck in deinen Werken. Was bedeutet für dich Tanz?

Es ist ein sehr freies Dasein, der Tanz. Ich bin sehr authentisch mit mir im Reinen und das ist sehr positiv belegt. Egal, was ich mit mir erlebe, es ist ein gutes Gefühl. In der Malerei ist es eher eine Krücke. Weil Dynamik in statischem Ausdruck nicht so einfach zu halten ist, finde ich. Klar, wir können mit irgendwelchen Techniken Raum erzeugen auf der zweidimensionalen Fläche. Wir können abbilden, Linien ziehen und die, was weiß ich wie, führen. Aber es ist immer nur eine ganz kleine kurze Sequenz und dann ist es schon wieder vorbei. Und dennoch ist es das Wichtigste, was mich treibt.

Bei den Betrachtenden wird etwas angetriggert, etwas das sie nicht benennen können. Und das ist die Bewegung und die Freude im Tanz. Und genau darum geht es. Und darin bin ich hundertprozentig perfektionistisch. Weil, wenn das nicht da ist, wenn du es nicht spürst, dann siehst du nur eine Linie und eine Linie ist eigentlich tot. Die ist langweilig.

Tanzt du immer noch?

Leider nicht mehr.

In deinen ersten Arbeiten als bildender Künstler hast du fotorealistisch gearbeitet. Auch deine Zeichnungen erscheinen sehr durchdacht, sehr genau. Eine Eigenschaft, die man auch als Tänzer braucht. Wie sehr kannst du loslassen in deiner Kunst oder wie sehr willst und musst du gewissenhaft sein?

Ich finde deine Rückmeldung faszinierend. Das ist sehr inspirierend, dass du das drinnen siehst, das Gehaltene. Sehr spannend. Dann habe ich es noch nicht gut hingekriegt, weil das Gestische in meiner Arbeit ist sehr frei. Also sehr, sehr frei. All die Linien sind aus sich selbst heraus sehr überzeugend. Da bin ich dabei. Sofort. Weil ich weiß ziemlich gut, wie ich sie setzen will. Das ist das, was ich den Teilnehmer:innen im Kurs versuche zu zeigen.

Du weißt einfach intuitiv, wie es geht. Du musst nicht nachdenken. Es fließt aus dir raus?

Genau, aber es soll nicht eine willkürliche oder beliebige Form sein. Darum ringe ich. Zurück zu meiner minutiösen Arbeit, diesen Gitterlinien. Die wiederum sind was ganz anderes. Ich bin so ein getriebener Mensch. Mich kriegst du nicht wirklich auf den Stuhl gebunden. Schaut euch mal die Gitter an. Das war eine Rettung für mich. Ich hatte ein ziemliches Burnout-Erlebnis in meinem Leben. Und dieses innere, zur Ruhe führende „Ein-kleines-Karree-neben-das-andere-zu-setzen“, führte im Inneren zu einem Cool Down, zu einem Runterkommen. Und das Spannende, was ich dabei entdeckt habe, war, dass auch die Langsamkeit da ist in mir. Dass es eine Sprache spricht, dass es nicht aussieht wie ein Raster von irgendwas, sondern dass es eben auch meine Sprache in sich trägt, halt im Langsamen und auch noch im Kleinen. Eine Zeit lang ging unter zwei Meter auf drei Meter gar nichts. Weil ich immer so viel Platz brauchte, um diese Dynamik hinzukriegen, die in mir steckt.

Ja, diese Gleichzeitigkeit von Dynamik und Langsamkeit kann man wunderbar in unserer aktuellen Austellung mit deinen Werken erkennen. Durchdachte zeichnerische Details wirken hier wie eine Choreografie von langsamen Bewegungsabläufen, die durch Präzision und Kontrolle nichts von ihrer Kraft einbüßen. Es scheint wie ein Spiel von Zufall und Kontrolle. Eine andere Ausstellung in Pfullingen trägt den Titel „Sumber Warumbe“, was so viel bedeutet wie „Ohne Zweck“. Wie viel Zweck steckt in deinen Werken. Und wie viel Zufall, Überraschung, Zwecklosigkeit?

Zwecklosigkeit meint eher meine grundsätzliche Kunst, wie ich sie betreibe. Sie ist nicht danach ausgerichtet, wie viel ich verkaufe oder wie viel positive Resonanz ich kriege. Ich mache es wirklich, weil ich es machen muss. Ich bin getrieben, angetrieben von der Kunst, was zu tun. Ich glaube, ich würde ernsthaft verkümmern, wenn ich nicht Kunst machen könnte. Es gibt viele Dinge, die ich in meinem Leben mache, mich mit Menschen z. B. auszutauschen und so weiter. Es gibt ganz viele wichtige Sachen. Aber für mich ist das, irgendwas zum Ausdruck zu bringen, was mich bewegt, sehr wesentlich. Aber es ist nicht darauf ausgerichtet, dass es Resonanz oder dass es noch eine andere Anerkennung gibt. Es ist vielmehr eine selbstheilende Definition geworden.

Helmut Anton Zirkelbach stellt seiner Rede anlässlich der Pfullinger Ausstellung ein Zitat von Alberto Giacometti voran, in der es um die Bedeutung der Zeichnung geht. Auch du seist vor allem ein Zeichner. Ein Zeichner, dem nicht so ganz einfach auf die Spur zu kommen sei. Was meint er damit?

Na ja, die Lesbarkeit meiner Arbeit – das habe ich vorher schon mal ein bisschen einfließen lassen – ist nicht so einfach. Man braucht vielleicht den einen oder anderen Hinweis, den gebe ich aber nicht immer zwingend. Ich tue mich schwer mit Titeln. Ich mag sie nicht, weil ich es sehr spannend finde, dass man das Gegenüber anspricht, die Betrachtenden ein bisschen versuchen, sich etwas zu erarbeiten.Wenn ich an eine Arbeit „Weltordnung“ schreibe, sagt das erstmal gar nichts. Es sagt nichts darüber aus, dass das Bild zwei Wochen nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs entstanden ist und ein Ausdruck davon ist. Ich war in einem Prozess und dann hat sich das so reingeworfen, dieses Thema, dass ich nicht mehr anders konnte.

Dein Werk ist vielfältig, auffällig, fulminant. Gibt es aus deiner Sicht einen roten Faden, etwas, das immer wieder durchschimmert? Egal in welcher Kunstform du arbeitest?

Ja. Und zwar die Bewegung im Raum. Das ist am allerstärksten zu sehen, für mich zumindest, in der Linie. Alles hat immer damit zu tun.

Und dann ist da der Tanz als Überschrift. Und es gibt auch so eine Schote: Man hört mich malen. Ich bin überhaupt nicht ruhig. Das heißt, es entsteht ein Rhythmus. Ein Schaben, ein Kratzen, ein Klopfen, ein Tut-tut-tut. Ich mache das gar nicht. Aber dann werde mir darüber bewusst. Wenn ich zum Beispiel einen Raster mache, das Raster auf dem Papierchen. Die kleinen Dinge, wenn man sie aufnehmen würde, laufen auch nach einem bestimmten Schema. Ich würde nicht sagen, ich mache Musik, aber so ein Geklänge.

„In jeder meiner Linien wird ein Teil von deiner sein“, hast du in einem Nachruf über Jo Bukowski geschrieben. Wie hat dich die Zusammenarbeit mit Jo geprägt?

Also das allerstärkste Element ist, dass Jo ein Mensch war, der sich getraut hat, einem zu sagen, wenn etwas nichts ist. Das muss man erst mal finden! Ohne dass man das Gefühl bekommt, er weiß alles besser. Ja, Jo Bukowski und ich, wir haben die ersten Jahre nur Auseinandersetzungen gehabt. Wir haben uns gestritten ohne Ende. Das war total spannend. Und irgendwann gab es eine gegenseitige Akzeptanz und dann konnte ich auch lernen von ihm.

Der Zufall wollte es, dass Jo Bukowski eben auch ganz viel Linie hatte. Ich wusste das gar nicht. Ich bin zu Jo gekommen, weil eine gute Künstlerin, mit der ich das Atelier teilte, bei ihm aufgeschlagen war und sagte: „Da ist ein Typ, da musst du mal hin.“ Und dann steht da der Bär! Der hat wirklich fundiert einem tagelang etwas erzählen können.
Und wir haben uns später dann auch wirklich richtig befreundet, sind Freunde geworden. Wenn wir uns getroffen haben, haben wir immer stundenlang miteinander reden können und haben alles umgedreht.

Was werden die Teilnehmer:innen in deinem Kurs lernen? Was schließt an die Arbeit von Jo an, was ist der besondere Akzent, den du setzen wirst? Wie viel Jo steckt im Kurs und wie viel Armin?

Meine Art zu unterrichten ist die, die ich bei ihm kennengelernt habe. Ich habe von der Kunst nicht ausschließlich leben können. Das heißt, ich habe einen Broterwerbsjob mein Leben lang gehabt und ich bin pädagogisch tätig gewesen. 30 Jahre. Ich bin kein Lehrer, sondern ich bin Sozialarbeiter und habe immer unterrichtet. Und das heißt, meine Form zu unterrichten, schon vor der Malerei, war eine andere als in der Schule. Weil ich keinen Stundenplan habe. Es war immer ein selbstbestimmtes Arbeiten mit einem bestimmten Thema und bestimmte Inhalte, die zu überbringen waren. Aber die waren individueller ausgerichtet. 

Das Wort niederschwellig bedeutet mir etwas. Ich weiß, was das ist. Ich fülle das. Pädagogik. Ich weiß, was das ist.

Jo Bukwoski hat auch mal Soziale Arbeit studiert. Nur so by the way. Da gab es Verbindungen, die einfach auf der Kunst-Ebene erst mal gar keine Rolle gespielt haben. Wir haben uns auch auf anderen Ebenen brutal gut verstanden, auch sehr menschlich. Und das ist in meinen Kursen, was ich als Überzeugung in mir trage, weil der Mensch Jo Bukwoski in mir ist. Weil ich Dinge in seinem Sinne weiterzuführen, ohne dass er es ist. Weil ich Armin Burghagen bin.

Welche Fähigkeiten, welche Haltung vielleicht, muss oder sollte ich mitbringen, damit ich an deinem Kurs teilnehmen kann?

Offen sein. Kein Bild malen wollen. Das Wort „freie Malerei" auch wirklich als freie Malerei verstehen. Und sich darauf einlassen, auf das Experiment mit sich selbst und das Scheitern als Möglichkeit mitbringen.

Du bist bis zu dem, wer du heute bist, was du heute tust, einen langen Weg gegangen. Wie hast du es geschafft, deinen Ausdruck zu finden? Wie würdest du diesen Ausdruck, diese Unverwechselbarkeit von Armin Burghagen, zusammenfassen?

Das hat mit der Sehnsucht zu tun, von der ich vorher mal gesprochen habe, Ausdruck zu wollen. Die größte Sehnsucht meines Ausdrucks ist die Unmittelbarkeit einer Bewegung. Wenn ich eine tänzerische Bewegung mache in den Raum, dann wissen die Betrachtenden, dieser Energie zu folgen. Und das ist das, was mich getrieben hat, die Antwort darauf in der Malerei und der Zeichnung zu finden. Diese Präsenz hat mich getrieben und mich nie in Ruhe gelassen. Das ist, was mich ausmacht. Und das sieht man in dem, was ich mache.

Davon ausgehend – welchen Tipp kannst du Menschen geben, die auf einer künstlerischen Reise unterwegs sind. Wie finden sie zu dem, was sie selbst als Künstler oder Künstlerin ausmacht?

Das geht nur über die Praxis, meine ich. Ich kann das nicht theoretisch. Das erreicht mich nicht, das erreicht dich nicht, das erreicht niemanden. Aber im Prozesshaften, im Dialog, im Zulassen, sich selber auszuhalten und zu formulieren, was man will. Wenn dein Geist weiß, was du willst, dann führt deine Hand es aus. Wenn dein Geist nicht weißt, was du willst, kriegst du es nicht aufs Papier.

 

Das Interview mit Armin Burghagen führte Katharina Bertulat.

 


 

AKTUELLE KURSE mit ARMIN BURGHAGEN

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Freie Malerei. Der künstlerische Prozess – Mutig den Zufall steuern

26.09.2025 - 28.09.2025

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Sie erweitern in diesem Kurs Ihr handwerkliches Repertoire an Ausdrucksformen durch spielerische Experimente und sammeln Erfahrungen, damit zufällige Techniken bis zu einem gewissen Grad steuerbar werden. Den Schwerpunkt bildet die eigene künstlerische Arbeit, bringen Sie daher gerne Vorlagen und Motive sowie eigene (Bild-)Ideen mit. Anhand von Bildbesprechungen, einzeln und in der Gruppe, entwickeln Sie weiterführende Schritte und Ansätze zur Umsetzung Ihres individuellen malerischen Ausdrucks.

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