»Wir sind geboren mit der Anlage zu gestalten« – Im Interview mit Malerin Sonja Simone Albert

Mit der Malerin Sonja Simone Albert verbindet uns eine langjährige, tolle Zusammenarbeit als Dozentin. Wir haben mit ihr über Vergangenes und Zukünftiges gesprochen.


Erinnerst du dich noch an den ersten Tag am Alanus Werkhaus? Wie hast du ihn erlebt?

Ich glaube, es war 2006, als ich das erste Mal auf dem Johannishof gewesen bin. Und ich vermute, das war bei meiner ersten Aufnahmeprüfung im Studiengang Malerei. Ganz dunkel erinnere ich mich vor allen Dingen an den Fußweg von der Bahn. Es war Sommer und ich habe gedacht, ich habe mich verlaufen. Dann kam ich oben an im Innenhof. Ich fand es einfach wahnsinnig schön und idyllisch.


Du unterrichtest im Werkhaus unter anderem auch im Mappenkurs. Du hast ihn vor deinem Studium selbst besucht. Wie hast du den Kurs als Teilnehmerin erlebt?

Eine Erfahrung, die bei mir bis heute einfach tief sitzt: Talent ist das eine. Aber das andere ist, dass man wirklich viel entwickeln und lernen kann. Ich bin vielleicht nicht unbedingt als Malerin auf die Welt gekommen, so als Naturtalent. Aber man kann sich entwickeln und lernen. Ich habe mich selbst so zu einer Malerin gemacht. Durch die Praxis. Da war der Mappenkurs ganz entscheidend. Weil man unglaublich viel an die Hand kriegt und auch ganz viele Missverständnisse erstmal geklärt werden. Der Mappenkurs war wegweisend für mich, da habe ich mit am meisten gelernt.


Was genau ist es, was den Mappenkurs für dich so besonders macht?

Einerseits bekommt man viele Techniken und Herangehensweisen zu Malerei und Zeichnung mit auf den Weg. Der Hauptfokus, und das ist das ganz besondere, liegt aber darauf, eine innere Haltung zu entwickeln: Welche Haltung brauche ich, um später als Künstlerin oder Gestalterin oder Designerin tätig zu sein? Was muss ich als Mensch mitbringen? Denn die ganzen Techniken bringen einem nix, wenn man es z.B. nicht schafft, selbstständig zu arbeiten. Man muss auch Scheitern aushalten und mit Krisen umgehen können. All das ist unabdingbar.
Es ist also nicht nur eine Schulung, wie ich male oder zeichne oder gestalte, sondern auch, was brauche ich als Mensch, um in diesem Beruf zu bestehen?


Was heißt für es für dich, Künstlerin zu werden oder zu sein?

Ich glaube, dass künstlerisches Arbeiten stark mit Klischees behaftet ist. Man stellt sich einen Künstler oder eine Künstlerin irgendwie auf eine bestimmte Art und Weise vor. Vielleicht mit Weinflasche und den genialen Ideen in der Nacht. Oder dass künstlerisches Arbeiten immer ganz verrückt und crazy und unlogisch sein muss und nur aus der Intuition heraus funktioniert. Andere denken, künstlerisches Arbeiten ist hauptsächlich Technik und man muss erstmal realistisch malen lernen. Man vergisst dabei häufig, dass wir Menschen grundsätzlich kreative Wesen sind. Wir sind geboren mit der Anlage zu gestalten. Das machen wir schon ganz früh. Das ist in uns drin. Ein Gestaltungswille. Und man kann den fördern oder eben nicht.


Wie kann man diese Kreativität, den Gestaltungswillen fördern?

Man unterschätzt das Üben einfach total. Das ist oft ein Missverständnis, gerade in der bildenden Kunst. In der Musik ist es völlig normal. Man merkt und man weiß, man muss einfach üben, um ein Instrument spielen zu können. In der Malerei denken die Leute ganz schnell, wenn sie beim ersten Wurf nicht sofort ein schönes Bild gemacht haben, dann haben sie kein Talent. Aber man muss die Malerei ganz genau so üben wie ein Instrument halt auch.


Du bist nicht auf Anhieb zum Kunststudium angenommen worden. Was von deinem eigenen Scheitern fließt in deiner Arbeit als Dozentin ein?

Es hat mir eine gewisse Haltung den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegenüber mitgegeben. Natürlich gibt es immer wieder Leute, die einem sofort auffallen, so Cracks, die es draufhaben. Da brauche ich auch gar nicht mehr viel tun, die machen es sowieso.
Aber ich finde gerade die spannend, die von sich selbst meinen, sie würden es nicht können. Es gibt so viele, die eine wahnsinnige Selbstkritik haben. Die, während sie etwas tun, das sofort für schlecht erklären. Ich weiß, dass ich früher auch so unterwegs war. Dass ich selber nicht gesehen habe, was ich mache. Dass die Kriterien, die ich an meine eigene Arbeit anlege, ja immer nur meine Kriterien sind.
Wenn ich an eine Zeichnung das Kriterium anlege, dass sie unbedingt fotorealistisch sein muss und ich habe noch nicht so viel geübt, dann scheitere ich. Aber es gibt noch 1000 andere Kriterien – so was wie Dynamik der Linie oder Offenheit oder Abstraktion oder so. Häufig hat man so einen Filter vor der Nase und will nur das eine sehen. Man will jetzt eine gegenständliche Zeichnung von sich sehen und merkt, man schafft es nicht und sieht aber die ganzen vielen anderen Qualitäten, die man mitbringt, nicht.


Wie unterstützt du diese Teilnehmer:innen als Dozentin?

Jeder und jede bringt irgendwas ganz Eigenwilliges mit. Einen besonderen Strich oder ein Gefühl für Farbe und Komposition. Manchmal auch was ganz Unbeholfenes, was aber eine Schönheit beinhaltet. Diese Punkte zu finden, auf das Besondere aufmerksam zu machen, weg von dem, wie man meint, dass es sein muss, hin zu dem, wie es ist. Das wertzuschätzen und zu kultivieren, das ist meine Aufgabe als Dozentin.


Was ist deine eigene künstlerische Ausrichtung?

Wenn man meine Sachen anschaut, sieht man schnell, dass ich sehr gegenständlich unterwegs bin. Wobei ich mich wehre, gegen diese Schublade Realismus. Die ist mir zu klein.
Öffentlich sichtbar von mir sind sehr große, gegenständliche, eher fotorealistische Malereien. Ich praktiziere im Atelier aber auch viele, viele andere Dinge, z.B. abstrakte Serien. Ich probiere unglaublich viel aus, weil ich als Dozentin auch gerne die Menschen begleiten möchte, die in der Abstraktion unterwegs sind. Darum versuche ich mich auch immer mal in die Schuhe von einem abstrakten Maler oder einer Malerin zu stellen und zu schauen, wie sind da die Prozesse und worauf kommt es da an.


Gerade gibt es im Werkhaus eine Ausstellungsreihe »Alles außer Tiernahrung« – da bist du aktuell auch mit einigen Werken dabei!

Genau, mit Elisabeth Reichegger zusammen. Am 3. Juni war die Vernissage. Die nächste Reihe wird dann am 19. August eröffnet mit Ina Busch, Anne von Hoyningen-Huene und Angelika Kehlenbach.


Sehr empfehlenswert, diese Ausstellung! Toll, dass du dabei bist. Zum Schluss dein Lieblingsplatz am Johannishof? Ein Platz, an dem du gerne Pause machst?
Der Innenhof ist ein besonderer Kernpunkt. Im Sommer, während der Sommerakademie, wird immer eine Hollywoodschaukel aufgebaut. Das ist schon der beste Pausenort. Am besten mit einem Eis in der Hand. Da bin ich besonders gerne.


Ja, da können wir uns treffen im Sommer unter der Linde. Ich freu mich auf ein Eis mit dir! Danke für das Gespräch, liebe Simone!

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Sonja Simone Albert ist freischaffende Künstlerin und Malerin und seit 2013 als Dozentin für Malerei und Zeichnung unter anderem am Alanus Werkhaus und an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft tätig. Seit 2018 unterstützt sie das Leitungsteam der Sommerakademie Alfter.

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